Das einzige Geschäftsfahrzeug, der BMW des Chefs, musste mit Chauffeur der Wehrmacht übergeben werden. Richard Boss (1912 — 1993) legte nach seiner Ausbildung zum Mechaniker in der eigenen Firma die Meisterprüfung ab und absolvierte zusätzlich eine kaufmännische Weiterbildung. So bereitete er sich auf die Führungsrolle im Betrieb vor, die er weit früher als erwartet einnehmen musste. Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters 1935 musste er mit 22 Jahren die Werkstätte des Vaters übernehmen und führen. Er war gleich alt wie Johannes Boss bei der Gründung des Familien- betriebs 1849. Durch die technologische Öffnung konkurrierender Unternehmen während des Dritten Reiches konnte Johs. Boss die Gewinde- frästechnologie kennenlernen und einführen. 1938 zählte der Betrieb 30 Mitarbeiter, darunter ungefähr zehn Mechaniker, zehn angelernte Arbeiter und acht Lehrlinge. Es wurden Schneideisen und Gewindeschneidkluppen produziert. 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus. Die Firma Johs. Boss galt als kriegswichtig, weshalb manche Mitarbeiter vom Fronteinsatz verschont blieben. Das einzige Geschäftsfahrzeug, der BMW des Chefs, musste mit Chauffeur der Wehrmacht übergeben werden. Einen Chauffeur gab es nicht. So hat sich Richard Boss selbst auf den Weg nach Ulm gemacht. Dort angekommen wollte die Wehrmacht ihn mitsamt dem Auto behalten. Es kostete ihn viel Überzeugungsarbeit, indem er ihnen erklärte, dass er der Chef eines kriegswichtigen Betrie bes sei und sofort wieder heimkehren müsse. Aber er hat noch mit- be kommen wie sie sein schönes neues Auto aufgeschnitten und mit einer Pritsche versehen haben. Die fehlenden Männer im Betrieb wurden während des Krieges zuerst durch Frauen ersetzt und später wurden, wie in der gesamten deutschen Wirtschaft, so auch beim Onstmettinger Gewindehersteller, Kriegsgefangene in der Produktion be- schäftigt. Das Ende des Krieges brachte wiederum eine Zäsur. Schon vor dem Einmarsch der Franzosen in Onstmettingen am 24. April 1945 hatte es oft Produktionsunterbrechungen wegen Strom- ausfalls gegeben. Die ausgefallenen Stunden wurden durch Nachtarbeit ausgeglichen. Dann ruhte der Betrieb für einige Monate. Unternehmern wurde es nahegelegt, Mitglied in der NSDAP zu sein. Aufgrund dessen wurde Richard Boss nach Ende des Krieges zu Waldarbeit verpflichtet. Erst danach durfte er seine Position im Betrieb wieder einnehmen. 34